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Geschichte der Ansichtskarte
Die Geschichte der Ansichtskarte ist eng mit derjenigen der
Postkarte verbunden. Darüber, wer die erste Ansichtskarte
erfunden hat und wo und wann, liest man unterschiedliche
Angaben, speziell über die Epoche vor der Einführung der offizi-
ellen Postkarte, der «Correspondenzkarte». Eine endgültige
Einigung über den Erfinder der Ansichtskarte wird wohl kaum
jemals erzielt werden. Nachfolgend einige gesicherte Daten:
1861 erscheint in Amerika eine Karte ohne Ansicht und ohne
eingedrucktes Wertzeichen. Auf der Adressseite oben rechts war
ein kleines Viereck für die 1Cent Postmarke vorgedruckt und
trug die Bezeichnung Postal Card.
1865 entwarf der deutsche Postminister Heinrich Stephan die
erste Postkarte. Er nannte den Entwurf Postblatt. Der Vorschlag
wurde vom preussischen Generaldirektor von Philipsborn abge-
lehnt mit der Begründung «... wegen der unanständigen Form
der offenen Mitteilung».
Der 1. Oktober 1869 ist die Geburtsstunde der ersten offiziellen
Postkarte mit eingedrucktem Wertzeichen. Der österreichische
Professor Dr. Emanuel Herrmann ist der «Erfinder» dieser Karte,
die im Format 120 x 85 mm auf gelblichem, steifen Papier
gedruckt wurde. Die Posttaxe betrug weniger als die Hälfte der-
jenigen eines Briefes.
Die Postverwaltung Wien hatte Sorge wegen dem offenen Inhalt
der Karte, der Ehrbeleidigungen und Grobheiten enthalten
könnte. Sie druckte deshalb auf die Rückseite der Postkarte: Die
Postanstalt übernimmt keine Verantwortlichkeit für den Inhalt
der Mittheilungen. Im ersten Monat wurden 1,4 Millionen Karten
verkauft und nach einem Jahr waren es 9,5 Millionen.
Am 16. Juli 1870 bedruckte der Hofbuchhändler August Schwartz
aus Oldenburg in seiner Druckerei eine offizielle Postkarte mit
einem Artillerie-Bildchen. So entstand die erste Bildpostkarte.
1871 treten die ersten Glückwunsch- und Ansichtskarten auf.
Bekannt ist eine Serie von sechs Göttinger Gebäudeansichten.
Ab 1 Juli 1872 sind in Deutschland private Postkarten erlaubt
und somit der Weg zur Ansichtskarte offen.
Auch in der Schweiz erscheinen die ersten Ansichtskarten. Im
Bild: Rheinfall 1888.
In den nächsten 20 Jahren breitet sich die Ansichtskarte im
deutschsprachigen Raum aus.
Mit der Zeit wird die Ansichtskarte als Sammelobjekt entdeckt.
Am 1. April 1886 erscheint in Leipzig die Zeitschrift Der Postkar-
tensammler.
1897 ist der Beginn des goldenen Zeitalters der Ansichtskarte.
Diese dauerte bis ca. 1918.
Von 1897 ist auch die älteste Karte von Schleitheim in meiner
Sammlung, eine Lithographie von Oberwiesen.
Aus der Zeit von 1897 bis 1905 stammen die schönen farbigen
Lithographiekarten. Sie sind ein Beispiel der farbenprächtigen
Chromolithographiekunst. Die Farbnuancen wurden mit den
heutigen Offset-Verfahren niemals erreicht. Das jedoch ist die
Ansicht der Kartensammler, wie sich dazu der Drucker äussert,
sei mal dahingestellt.
Um die Jahrhundertwende war es Mode für fast jeden Haushalt,
ein luxuriöses Sammelalbum für Ansichtskarten zu kaufen.
Was für ein beliebtes Kommunikationsmittel die Karten waren,
erkennt man daran, dass bereits 1902 in der Schweiz 22 Millio-
nen Stück Ansichtskarten verschickt wurden und das bei 3
Millionen Einwohnern.
In Deutschland waren es 1903 400 Millionen Ansichtskarten.
Bis ins Jahr 1905 schrieb das Postregal vor, dass auf der Adress-
seite keine Mitteilungen angebracht werden durften. Deshalb
wurden leider viele alte Lithographien verunstaltet.
Ab 1919 bis 1945 gab es eine Flaute bei den Ansichtskarten.
Druck und Papier wurden immer schlechter, eine Auswirkung
der Wirtschaftskrise. Geldmangel und höheres Porto waren ein
weiterer Grund. Der Hauptgrund dürfte aber die Entstehung
neuer Kommunikationsmittel gewesen sein, vor allem das Auf-
kommen des Telefons.
In den Jahre von 1930 bis teilweise in die heutige Zeit wurden
tausende Ansichtskarten durch herausschneiden der Marken
zerstört.
Nach dem 2. Weltkrieg stellte sich heraus, dass viele Gebäude
nur mit Hilfe von Ansichtskarten wieder rekonstruiert werden
konnten, In den letzten Jahren haben viele Kantone, Städte und
Gemeinden begonnen, Ansichtskarten zu kaufen, weil sie die
einzigen Bilddokumente für einen Zeitraum von 50 Jahren
waren.
Vielleicht muss man später wieder auf die Karten zurückgreifen,
denn was kein Krieg an Zerstörung fertig gebracht hat, das
schaffen heute in kürzester Zeit einige Architekten.
Um 1960 wurden die Karten, dank neuen Drucktechniken, wie-
der schöner. Die farbigen Ansichtskarten sind wieder so schön,
dass man sie fast nicht wegzuwerfen getraut. Oder etwa doch?