15 Ponte Ulla – Santiago de Compostela

Dienstag 26 Mai 2015          23.3 km

Ich laufe um halb sieben im Dunkeln los. Zu Anfang geht’s den Berg hinauf, den ich gestern nicht mehr machte. Nach einer Stunde erreiche ich die Herberge, das für gestern geplante Etappenziel. Nebst der Herberge gibt’s nur ein paar Häuser. Der Entscheid, früher zu übernachten, war gut. So konnte ich im Internet noch ein Hotel in Santiago für heute buchen. Ein Zimmer im Dreisternhotel für 28 Euro. So kann ich heute gelassen laufen. Nach 10 km kehre ich in einer Bar ein und trinke an der Sonne einen Kaffee und esse etwas Süsses. Die Landschaft ist gleich wie gestern. Wälder mit Eukalyptusbäumen, Wiesen und Felder. Bald stehe ich vor dem letzten Hügel, der mich von Santiago trennt. Einen Kilometer vor dem höchsten Punkt überquert der Weg das AVE-Trasse genau in der Kurve, wo am 24 Juli 2013 der Zug in Folge überhöhter Geschwindigkeit entgleiste und 79 Menschen starben. Am Brückengeländer hängen viele Gegenstände in Erinnerung an die Verunglückten. Der Anblick hinterlässt ein beklemmendes Gefühl. Um 11:24 Uhr erreiche ich die Anhöhe und erblicke die Türme der Kathedrale von Santiago de Compostela. Bis 12 Uhr habe ich mich dorthin durchgefragt. Die Signalisation ist mangelhaft bis nicht vorhanden. Die Kathedrale erreiche ich von der Rückseite her. Ich laufe um sie herum und setze mich an den Rand des grossen Platzes, des Praza do Obradoiro, auf eine Steinbank, nehme eine Cola aus dem Rucksack und schaue dem Treiben zu. Es sind schon viele Pilger hier. Einige feiern, andere sitzen schweigend da. Nach einer Weile bitte ich noch zweimal jemanden ein Foto von mir zu machen. Anschliessend suche ich das Pilgerbüro auf. Die Warteschlange reicht gerade bis zum Aussenportal. (Am Nachmittag werde ich sie um einiges länger antreffen.)  Ich stelle mich an und frage mich, wo all diese Leute herkommen. Die letzten drei Tage habe ich auf dem Weg niemanden getroffen. Die meisten waren sicher auf dem Camino Francés, auf dem ja dreiviertel aller Jakobspilger unterwegs sind. Nach 50 Minuten halte ich die Compostela in der Hand. Nun geht es auf die Suche nach dem Hotel. In einem Restaurant konnten sie mir den Weg recht gut erklären. Hätte ich die morgige Etappe im Wanderführer gelesen, hätte ich es auch gesehen. Das Hotel liegt genau auf dem Weg und wird sogar noch erwähnt. Der Weg führt wieder über den Obradoiroplatz, wo gerade das deutsche Paar ankommt und sich umarmt, dass ich in Oseira und am drauffolgenden Tag traf. Ich gehe zu ihnen und verabschiede mich. Nach den obligaten Arbeiten mache ich mich wieder auf den Weg ins Zentrum. Bis zur Kathedrale brauche ich eine knappe Viertstunde. Der Vordereingang der Kathedrale ist gerade geschlossen. Ich laufe die Treppe wieder runter und stosse direkt auf Wilfried. Er ist mit einem Bekannten unterwegs, der den Camino Francés lief. Nach einem kurzen Gespräch trennen wir uns wieder. Einige Zeit später treffe ich die beiden wieder beim Bier und ich setzte mich zu ihnen. Später setzt sich noch der Nickolaus zu uns. Er und Joschi, zwei Bayern, kennen Wilfried von einem früheren Jakobsweg. Nachher besuche ich die Kathedrale und setze mich in eine Bank. Auf die Umarmung der Jakobusstatue auf dem Altar verzichte ich. Hier stehen sehr viele Leute an, die teilweise recht laut sind. Ein Ordner ermahnt die vorwiegend jugendlichen Leute zur Ruhe. In der Stadt treffe ich auch noch den Münchner, das französische Paar und die Südafrikanische Radpilgerin, die zeitgleich mit mir in Santiago ankam und im Pilgerbüro war. Nach einer Pause im Hotel laufe ich am Abend nochmals ins Zentrum und schreibe eine Karte an  Judith und Erwin. Unter den Lauben esse ich Chipirones (kleine Tintenfische) mit Spiegelei, Pommes und Salat. Die Zwiebeln im Salat veranlassen mich, früher als geplant ins Hotel zurückzukehren. Im Aufenthaltsraum schreibe ich bei einem Kaffee und Brandy noch mein Tagebuch.

15 Ponte Ulla - Santiago de Compostela
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